Hauptsächlich in den Sommermonaten der Jahre 2007, 2008, 2009, 2011 und 2012 war ich ab Zughaltestelle Pflach/Tirol bis Kufstein im Gebiet der vermuteten Pfade des Bären „Bruno“ unterwegs. Da ich keine Schafe erbeutete und mich artig auf Hütten verpflegte gab es keine Schwierigkeiten. Laut Literatur zeigt das typische Rissbild eines Braunbären einen leergefressenen Bauch- oder Brustraum (bei diesem Lamm aus Tirol Mitte Juni 2022 beides) und durch enorme Kraft abgetrennte Körperteile. Der abgetrennte Kopf verweist allerdings auf den Fuchs. Der slowenische Profi Rok Cerne verweist freundlich darauf, dass dieses Rissbild untypisch und seriös nicht zu bestimmen ist. Möglich wäre auch die Beteiligung junger Wölfe.

Auch wer vielbeschilderten Wanderwegen folgt kann dort vor allem morgens und abends eine Vielzahl an Rehen, Gämsen und Steinböcken beobachten. Rothirsche halten sich bedeckt. Auch ein Mufflon ist selten zu beobachten. Nach einer kühlen, sternenklaren Biwak-Nacht kann es vorkommen, dass man nicht nur von der aufgehenden, wärmenden Sonne geweckt wird, sondern auch von Bodenerschütterungen durch eine neugierige, in kleinen Kreisen um den Schläfer galoppierende Gämse. Entpuppt sich die riesige Raupe als Mensch im Schlafsack ist es vorbei mit der Zutraulichkeit.

Aus dem Karwendel kommend, in der Abenddämmerung eines Spätherbsttages 2012, rannte ich auf einem laubreichen Pfad bergab, um den Bergwald noch vor Einbruch der Nacht zu verlassen. Nach einer engen Kurve stoppte mich ein sehr lautes, röhrendes !!ROOOAAR-RO-RO-RO!! Dem Infarkt nahe starrte ich in die bernsteinfarbenen Augen eines mächtigen Tieres mit zottiger Halsmähne und einem Kopfschmuck ausladender langer Spieße. Die Erscheinung hechtete einige Sprünge hangaufwärts und wendete erstaunt. Ich setzte meinen Lauf fort. Begleitet von einem herrlich urigen Konzert weiterer Rothirsche ringsum.

Die Präsenz der Art Braunbär als bizarrer und respektloser Hüttenwandschmuck, sowie abgebildet auf verwitterter Votivtafel und als Flurbezeichnung mit dem Wortbestandteil „Bär“ hat mich überrascht. Sehr erstaunt hat mich die Nähe der Flurnamen „Bärenalp“, mehrmals „Bärenbad“, „Bärenfalle“, „Bärengrube“, „Bärenheimat“, „Bärenhöhle“, „Bärenjoch“, „Bärenklamm“, „Bärenkopf“, „Bärenmoos“, „Bärenstatt“, „Bärental“, „Bärenwand“ und „Bärenwiese“ zu Koordinaten von sicheren Nachweisen des Bären „Bruno“ im Jahr 2006. Das Landschaftsschutzgebiet „Bärenkopf“ am Achensee wurde von „Bruno“ während seiner Wanderung mindestens zweimal passiert. Zwischen der Benennung der „Bären-Orte“ in Tirol sowie in Bayern und dem aktuellen Auftreten von Orso Bruno liegen einige Jahrhunderte. Vergleicht man diese Gebiete mit einer Karte oder von hochgelegenem Steig erkennt man Gemeinsamkeiten der uralten Bärenwechsel, die der Mensch seit Besiedlungsbeginn mit Dörfern und Verkehrswegen zerschnitten hat. Manche Täler erscheinen auch heute noch als Streifgebiet großer Fleischfresser geeignet – wenn wir das wollen und viele Landbesitzer sowie Pächter dies zulassen.

2022: Auch in Bayern wird man sich zukünftig Gedanken über legale Abschussmöglichkeiten einzelner Wölfe machen müssen.
In den Sommermonaten wechseln Wolfsrudel mit Welpen den Standort alle 2 – 3 Wochen, was Angriffe auf Weidevieh großräumig wahrscheinlich macht. Im Spätsommer erlernen die im Frühjahr geborenen Wölfe die Jagd.
2021 war die hohe Zahl gerissener Weidetiere und die heikle Annäherung an Menschen durch Wölfe im Wallis ernüchternd, wenn auch durch die Bestandszunahme der cleveren Art Wolf nicht überraschend.
Sinnvoll bewirtschaftete Almen und Waldweiden ermöglichen die Existenz von Tier- und Pflanzengemeinschaften, die keinerlei Lobby haben.
Der große Fleischfresser, der im modernen Bayern konfliktarm bestehen kann, ist meines Erachtens der Luchs. Mir ist lediglich ein unentschlossener Angriff auf ein Hirtenmädchen im südwestlichen Frankreich um das Jahr 1600 bekannt. Dieser Beutetest eines vermutlich jungen Luchses / „Hirschwolfes“ konnte damals problemlos abgewehrt werden. Auf die fünf bayerischen Wildhuhnarten am Berg wird der Luchs sicherlich Einfluss haben. Wildbiologisch interessant ist, ob durch größere Blau- und Wacholderbeerparzellen im Staatsforst eine Stabilisierung der Waldhuhnbestände möglich wäre.
Ebenfalls bisher unerforscht sind die Ernährungspräferenzen des Goldschakals in Bayern und ob er die Nördlichen Ostalpen und damit Almgebiete und Schafherden meidet.

Michel Gengler