DAS UHU-HALBJAHR IM MAI

AKTUELLES

Wie im Vorjahr sind es zwei fast gleichaltrige Jungvögel. In der Fränkischen Schweiz beträgt der Altersunterschied der „Nestgeschwister“ bis zu 4 Wochen. Die beiden jungen Uhus sind prächtig gewachsen. Anfang April hätte der Nestling theoretisch (!!) noch bequem auf eine Handfläche gepasst. Zur Verdeutlichung der jetzigen Größe und des schnellen Wachstums siehe das Foto auf der Startseite der Uhu-Reports mit Alfons Förstel während einer Beringung 2004.
Die beiden jungen Uhus mit dem Aussehen von „flauschigen Dunenkugeln“ sitzen derzeit eng aneinandergeschmiegt an der Felswand am Ende des Brutsimses oder gehen neugierig und vorsichtig auf dem Sims umher. Der große weibliche Vogel liegt mit fast geschlossenen Augen scheinbar unaufmerksam an der Felswand, wird von den beiden Jungvögeln oft aufgesucht und hält wenn nicht gerade gefüttert wird Körperkontakt. Seit vielen Jahrhunderten genutzte Felsenhorste in nahrungsreichen Lebensräumen weisen eine cm-tiefe Knöchelchenschicht ehemaliger Beutetiere auf.

Altes Felsennest in der Fränkischen Schweiz mit ca. 3 Wochen alten Uhus
Baumnest des Uhus
Baumnest in besetztem Schwarzstorchhorst mit ca. 4 Wochen alten Uhus, Böhmen, Foto von Irmi & Ewald Hortig

NAHRUNG IM MAI

Durch das Spektiv mit mehreren hundert Metern Abstand beobachtet fällt auf, dass Beutetiere sowie deren Fell- und Federreste im Depot des Uhu-Horstes selbst und auf regelmäßig angeflogenen Bodenerhebungen und Felstürmen zu deutlich größeren Arten gehören als die Beutetiere der Vergangenheit. Auf einer Bodenerhebung mit ca. 600 Metern Abstand zum Uhuhorst sind leicht übersehbare Fellreste eines jungen Fuchses zu entdecken. Auf einem Fahrweg zwischen den besetzten Brutplätzen zweier Uhupaare ist die Rupfung eines Waldkauzes zu finden. Die Art Waldkauz wies Dr. Theodor Mebs bereits vor 55 Jahren als häufige Uhubeute in der Fränkischen Schweiz / Oberfranken nach (siehe Februar). Auf dem Horstsims selbst kamen zu den schwarzen Federn erbeuteter Rabenkrähen gut erkennbar helle Taubenfedern hinzu; ob es sich um eine große Haus- oder Ringeltaube handelt ist derzeit störungsfrei nicht feststellbar. Im hinteren Teil des Brutsimses ist der Rest eines graubraunen Greifvogels mit gesprenkelter Brust und kräftigen gelben Fängen zu erkennen. Es könnte sich hier um einen jungen Habicht oder jungen Wanderfalken handeln.

Eine Anekdote:

Nach der Beringung am Boden brütender Uhus Mitte Mai 2004 für die Vogelwarte Radolfzell verließen Alfons und ich den Horstbereich auch wieder ruhig sprechend, um den Vögeln unsere zunehmende Entfernung mitzuteilen. Ein sehr großes Uhu-Weib(chen) löste sich lautlos aus einem Baum, flog uns ca. 50 Meter nach, blockte auf der Spitze eines Baumes auf, rief uns ein „Ujo“ hinterher und kehrte dann sofort zum Nachwuchs zurück.
In der Welt der Uhus würde sich derzeit nur ein Fressfeind mit dem Ziel der Erbeutung der Jungvögel zielstrebig dem Horst nähern. Auch während der Beringung junger Uhus in schwierigem Gelände, nach der Beringung der Bodenbrüter unter Alfons strengem Blick, kommentierte ich das Anlegen und Schließen der Ringe mit ruhigen Worten. Die Altvögel wussten somit „wer spricht kaut nicht“, als ich ihre Sicht auf die Jungvögel kurzfristig mit meinem Rücken verdeckte. Besonders ich empfand es beruhigend nach einer Querung, am unteren Rand einer Brutnische und mit einigen Metern Seil bis zur nächsten Sicherung, einem Vogel mit ca. 3 kg Gewicht und der Spannweite meiner Körperlänge zu vermitteln, dass ich seinen Nachwuchs nicht esse. Um den Eindruck eines nahrungssuchenden Fressfeindes bei den Jungvögeln abzuschwächen vermied ich es diese anzustarren. Die Beringung junger Uhus im Alter von 3-4 Wochen hat laut Alfons Förstels jahrzehntelanger praktischer Erfahrung den Vorteil, dass sich die Jungvögel bei richtiger Annäherung genau in diesem Zeitraum auf den Horstboden drücken. Trotzdem war ich auf lossprintende Nestlinge vorbereitet. Die Ringe legte ich „in Zeitlupe“ an, vermied schnelle, ruckartige Bewegungen am Horst, um die Jungvögel nicht doch noch zu einer Fluchtreaktion zu veranlassen, was in einer Steilwand katastrophale Folgen hätte, kämen die Nestlinge an mir vorbei. Auch 2004 wurde auf die Beringung junger Uhus in brüchigen, losen Gesteinsformationen selbstverständlich verzichtet.
Die größte zurückgelegte Entfernung eines in der Fränkischen Schweiz beringten Uhus betrug zum Zeitpunkt seines Todes über 300 km, was beim Uhu als Ausnahme erscheint. Durch kostengünstige Beringung und teure Telemetrie (= Besenderung und Ortung) konnten schon viele interessante Informationen über Zugrouten, Eignung/Veränderung von Brut- und Überwinterungsgebieten sowie zu Alter und Verbleib der beringten Vogelarten gewonnen werden. Am 28. März 2008 fand ich bei Garching beispielsweise eine in Tschechien beringte Rohrweihe.