DAS UHU-HALBJAHR IM JULI

AKTUELLES

Manch flugfähiger junger Uhu jagt nach wenigen Wochen, als hätte er noch nie etwas anderes getan. Normalerweise wirkt der Flug und die Erbeutung von Mäusen mehrere Wochen unsicher und ermöglicht angeflogener Beute das leichte Entkommen. Ohne mindestens einen zusätzlich fütternden Altvogel bis in den Herbst hinein ist die Mehrheit der Jungvögel nicht überlebensfähig. Innerhalb der nächsten Wochen bis etwa Mitte August, bedingt durch späten Brutbeginn oder zweiten, erfolgreichen Brutversuch nach Störung und Gelegeverlust, verlassen auch die Nachzügler, d. h. die jüngsten Uhus der Fränkischen Schweiz, ihren Brutplatz und folgen den Altvögeln.

Die Beobachtung der Uhus in den nächsten Wochen ist schwieriger, da sich die Vögel seltener in Horstnähe aufhalten und in ihrem Jagdgebiet unterwegs sind, welches hier zwischen zwei sich gering ausdehnenden Ortschaften liegt. Die Kernzone des sommerlichen Jagdgebiets schätze ich nach Sichtungen der Vögel auf lediglich 4 qkm, was vermutlich in der mosaikähnlichen, sehr abwechslungsreichen Landschaft mit überdurchschnittlich gutem Nahrungsangebot begründet ist. Die typischen Bettelrufe der hungrigen Jungvögel sind zwar auch noch in den nächsten Monaten zu hören, doch schließt das Uhu(halb)jahr bereits mit dieser Reportage. Suche und Annäherung an die flüggen Jungvögel werde ich nicht durchführen. Man sollte einem Wildtier nicht vermitteln, dass die Nähe des Menschen ungefährlich ist. Begründete Vorbehalte, von Lobbyisten geschürte Ängste und sehr unterschiedliche Wertmaßstäbe der Menschen sind zu berücksichtigen, wirbt man für die Akzeptanz großer Wildtiere. Respektvoller, mit der Größe des Wildtieres zunehmender Abstand zwischen Mensch und Wildtier ist stets für beide von Vorteil.

Im günstigsten Fall finden unsere nur virtuell beobachteten jungen Uhus in ihrer 3. Lebensphase (nach persönlicher Festlegung) genügend Nahrung, erreichen gesund ein Alter von mehreren Jahrzehnten und schreiten vielleicht in einigen Jahren selbst zur erfolgreichen Brut. Ob es bei den Uhus öfter eine Art Bindung der vorjährigen Junguhus an die Altvögel gibt, unterschiedlich stark ausgeprägt nach Geschlecht, bleibt zukünftig zu klären.

ERFOLG

Brut und Heranwachsen der jungen Uhus waren erfolgreich, da viele mögliche Gründe des Scheiterns nicht eingetreten sind:
Die beiden Altvögel fanden einander rufend in einem geeigneten Zeitraum des Jahres, fanden sich gegenseitig sexuell attraktiv und wehrten andere Interessenten ab. Der gesunde weibliche Altvogel hat die Eier auf einer vor vielen Fressfeinden sicheren Stelle gelegt, ausdauernd gebrütet, einen geeigneten Brutversorger gewählt, die Jungvögel gut sowie mit Verträglichem gefüttert und bestens gegen schädliche Witterungseinflüsse und Fressfeinde abgeschirmt.
Der vitale männliche Altvogel hat hier einen sicheren Brutplatz „vorgeschlagen“ und Weibchen sowie Jungvögel monatelang erfolgreich mit ausreichend vorhandener Nahrung versorgt. Auch wurde er kein Opfer des Straßenverkehrs. Alte Strommasten wurden bereits vor Jahren verantwortungsbewusst für den Erhalt der Großvögel entschärft. Der Bereich des hier schwachen Schienenverkehrs wird von diesen Altvögeln während der Brut- und Aufzuchtphase nicht aufgesucht. Der dortige menschliche Jäger, ein begeisterter Waidmann, akzeptiert die Uhus als befiederte Mitjäger im gemeinsamen Revier.
Das beobachtete Brutpaar in der Fränkischen Schweiz wurde von einem Bauern, der Holz geholt hat, erst im Mai aufgesucht. Der Bauer hat sich umgesehen was „seine“ Uhus so treiben und die beiden Junguhus Mitte Mai fotografiert. Kletterer haben an diesem Felsen kein Interesse und unterstützen gut informiert das sinnvolle Kletterkonzept Frankenjura andernorts vielleicht sogar aktiv. Auch liegt der 2008 besonders beobachtete Brutplatz in keinem Steinbruch, der von Menschen durch Abbau, Fossiliensuche, Geocaching (= moderne Schitzeljagd), Motorsport etc. genutzt wird.

Es gibt einen mehrjährigen „kleinen Wetterzyklus“, der sich auch indirekt auf den Bruterfolg der Uhus in der Fränkischen Schweiz auswirkt. Eigentlich müsste der Bruterfolg in den Jahren hoch sein, in denen an den Oster- und Pfingstfeiertagen gutes, d. h. überwiegend trockenes Wetter herrscht. Genau das Gegenteil ist der Fall. Ein Grund ist sicher, dass der menschliche Einfluss auf den Bruterfolg bei gutem Wetter zwischen Februar bis Mai, besonders jedoch an den Osterfeiertagen hier sehr hoch ist. Ostern 2008 war durch starke Schneefälle in der Fränkischen für die meisten Ausflügler uninteressant. Für die Uhus jedoch war dieses Wetter von Vorteil, trotz Nahrungsengpass durch eingeschränkte Verfügbarkeit verschiedener Mäusearten unter der plötzlichen Schneedecke. Es fand keine Brutstörung durch Menschen statt, sodass der brütende weibliche Vogel nicht zum Verlassen der Eier gezwungen wurde und das Gelege nicht auskühlte. Der kurzfristige Nahrungsmangel wurde durch das vorher auf dem Brutsims vom Männchen angelegte Depot ausgeglichen. Durch die niedrige Temperatur blieben die gefrorenen Beutetiere frisch.

Nach einer Anfang 2008 veröffentlichten These der Universität Bayreuth wird schon im kommenden Jahrzehnt die Temperatur auch in der Fränkischen Schweiz sowie die Niederschlagsmenge in den Wintermonaten auch nördlich des Flusses Wiesent deutlich steigen. Auswirkungen auf den Menschen, beispielsweise durch instabile Hänge, sowie auf die Pflanzenwelt, beispielsweise durch verstärkte Ausbreitung von Wurzelpilzen, und auf die Tierwelt, beispielsweise durch früheren Brutbeginn der Uhus und damit auf früheren Beginn notwendiger Sperrzeiten an Kletterfelsen, bleiben zu erforschen. Die Datenerfassung und Auswertung von Artenreichtum und Bestandsveränderungen verschiedener Pflanzen- und Wildtierarten sowie verstärkte Informationsarbeit auch draußen an den Kletterfelsen der artenreichen Fränkischen Schweiz bleibt eine jahrzehntelange Aufgabe für mehrere begabte Biologen/innen. Wer die Ernährungsgewohnheiten der Uhus am Ende der Nahrungskette kennt, könnte auch untersuchen ob ein Zusammenhang besteht zwischen verwaisten Brutplätzen und dem (im Vergleich zu Südbayern schwächeren,) nordbayerischen Regenstreifen, der Ende April 1986 radioaktive Isotope abgelagert hat.
Eine seriöse Bestandsangabe für die derzeit gute „Quelle“ der oberfränkischen Uhupopulation, die anschließende Gebiete stärkt, unterteilt in Brutpaare und Einzelvögel, ist mir für 2008 leider nicht möglich, da das Rufverhalten und damit der einfachste Nachweis der Individuen wie der Geschlechter sehr unterschiedlich ist und für diese Veröffentlichung nur ein Brutpaar der Fränkischen genauer beobachtet wurde. Wer Bestandseinbrüche deuten möchte, muss sich mit der Imkerei beschäftigen. Mein Eindruck ist, dass das Fehlen zweier Nutzpflanzen in einem Gebiet und damit vermutlich auch das Fehlen mancher Spritzmittel die Vitalität einiger Vogelarten deutlich erhöht.

Noch zwei Anekdoten:

Selbständige junge Uhus auf Nahrungssuche besuchen auch Bauwerke und größere Siedlungen. Das ist mit von Menschen geschaffenen, „unnatürlichen“ Risiken verbunden, jedoch auch mit der Aussicht auf einen gefüllten Magen durch viele vorhandene potentielle Beutetiere, die in der Nähe der Menschen selbst gute Lebensbedingungen finden. Anfang des Jahres jagte beispielsweise ein Uhu regelmäßig im Morgengrauen Krähen und Dohlen, deren Schwärme am Englischen Garten ihre Schlafbäume hatten; direkt am Bayerischen Staatsministerium für Landwirtschaft und Forsten im Zentrum von München.

In einem zurückliegenden Herbstmonat notierte ich mir einen zu Fuß vermutlich Heuschrecken jagenden jungen Uhu, inmitten einer kleinen Ortschaft auf einer damals noch unbebauten Wiese. Die Hauskatzen der Umgebung, die in Gärten auch gerne die Reaktionsschnelligkeit von Singvögeln testen, saßen am Rand ihrer Mäusewiese und verfolgten jede Bewegung des Uhus mit höchster Aufmerksamkeit. Bewegte sich eine der Katzen stellte der junge Uhu ruckartig Blickkontakt her was die Katzen sofort wieder zu strammer Reglosigkeit und „Sitzsamkeit“ veranlasste. Diesen seltsamen Vogel wollte keine Hauskatze auf Reaktionsschnelligkeit testen.

NACHWORT

Durch die Veröffentlichung des Uhuhalbjahres 2008 auf diesem Weg sowie mit Suchmaschinenverweisen hoffe ich, auf die aktuelle Situation und große Störanfälligkeit des Felsbrüters Uhu am Beispiel eines Brutpaares in der Fränkischen Schweiz/Oberfranken ansprechend aufmerksam gemacht zu haben. Ohne die Einladung von Alfons Förstel im Februar 1983 zu einem erstem Besuch wäre weder meine Beschäftigung mit der Art Uhu noch diese Website mit dem Anliegen der Akzeptanzförderung für große Wildtiere entstanden.
Der Anspruch des Menschen beeinflusst seit vielen Jahrhunderten die Häufigkeit der Arten und Individuen.
Die Abhängigkeit der heimischen Artenvielfalt und der wenigen Rückkehrer von der Akzeptanz und Toleranz des modernen Menschen wird in der überschaubaren Fränkischen Schweiz besonders deutlich. Ich schließe mich dem hysterischen Buchhalter-Kredo in allen Lebensbereichen, d. h. hier der Nützlichkeit für den Menschen als einziger Lebensberechtigung einer Art, nicht an, da sich unser Land auch „un(ge)nütz(t)e“ Arten und Bereiche durchaus „leisten“ kann. Im Wiesenttal der Fränkischen ruft von manchen ganzjährig für Menschen gesperrten Felsen in der Nähe kinderfreundlicher Zeltplätze mit Lagerfeuermöglichkeit abends sogar der Uhu. Ich wünsche allen Seitenbesuchern große Freude bei einem wirklichen und nicht nur virtuellen Besuch der herrlichen Fränkischen Schweiz.

Eine gute Zeit wünscht Michel Gengler
Juli 2008